Wie einst in East London, Street-Art Geschichte geschrieben wurde…
Pictures on Walls, das über mehr als 16 Jahre die internationale Kunstwelt geprägt hat, schließt am 22. Januar 2018 mit einem letzten POW(Knall) seinen online Shop und bietet einen zum Abschluss passenden Siebdruck des mittlerweile für hohe 6stellige Beträge gehandelten P.O.W. Mitbegründers BANKSY zum letztmaligen Schnäppchenpreis an.
Anfang der 2000er Jahre machten sich drei Freunde aus Bristol auf den Weg nach East- London, um dort neben unzähliger Interventionen im öffentlichen Raum gemeinsam an einer revolutionären Idee zu arbeiten, die in kürzester Zeit den klassischen Kunstmarkt und seine Regeln auf den Kopf gestellt hat.
Für ihre selbst organisierten Ausstellungen in einer der teuersten Städte der Welt ging das Projekt „Pictures on Walls“ einen für damalige Verhältnisse unkonventionellen Weg, um sich authentischen Raum zu verschaffen.
In leerstehenden Geschäften und Lagerhäusern stellten sich die Kunstaktivisten gegen das etablierte System der Galerien und Kunsthändler und vertrieben auf diesem Weg ihre Kunst aus erster Hand, um mit den erzielten Einnahmen ihre zukünftigen Projekte und Aktionen zu realisieren. Auf diese Weise entstanden zwischen 2003 und 2005 Banksy’s ersten großen Einzelausstellungen „Turf War“ und „Crude Oils“ sowie die Gruppenausstellung „Santas Ghetto“, welche 2007 ihren Höhepunkt hinter den Sperranlagen in Bethlehem fand und heute zu den progressivsten Kapiteln junger Kunstgeschichte zählt.
Doch die Straßen und Offspaces waren ihnen für die Verbreitung ihrer subversiven Kunstwerke nicht genug. „P.O.W.“ erkannte das Potential, das ihnen das Internet bot, und lieferte bereits Anfang der 2000er hochwertige originale Kunstwerke in Form von handgefertigten Siebdrucken in einer einfachen Versandrolle direkt ins Wohnzimmer. Auf diese Weise umging das Kollektiv erneut die Einflüsse des Kunstmarkts auf Kunst und Künstler und machte die Werke mittlerweile weltbekannter Street-Art Pioniere wie BLU, ESCIF oder INVADER aus erster Hand zum Schnäppchenpreis zugänglich.
Bereits früh erkannten neben leidenschaftlichen Sammlern, die sich für wenig Geld ein „alternatives Poster“ gekauft haben, vor allem auch Kunsthändler dieses Potential, mit der Folge, dass signierte Siebdrucke, welche ursprünglich für unter hundert Pfund erhältlich waren, plötzlich für fünfstellige Beträge – an den Künstlern vorbei – gehandelt wurden. Ein regelrechter Hype um das schnelle Geld war geboren, so dass eine Vielzahl der durch POW in D.I.Y. Manier geschaffenen Editionen in weniger als 5 Minuten ausverkauft war und wenige Minuten später für das x-Fache auf Ebay gehandelt wurde.
Dieses „Desaster“, so glaubte man, wurde spätestens 2010 durch Banksy’s Dokumentarfilm „Exit Through The Giftshop“ und dem seither sowohl für Banksy als auch Shepard Fairey unerklärlichen Erfolg eines Mr.Brainwash verdeutlicht und auf die Spitze getrieben. Doch das wirkliche Desaster für die noch junge „Street-Art“-Bewegung besteht darin, dass zahlreiche Nachahmer und niederschwellige Galerien und Museen von New York über Berlin bis München, die an der eigentlichen Entwicklung über ein Jahrzehnt unbeteiligt waren, nun auf dem Ruf einer subversiven Bewegung aufbauen, um selbst Nutzen daraus zu ziehen.
Innerhalb von nur wenigen Jahren verwandelten sich das einst von Idealisten zur autonomen Finanzierung ihrer Projekte genutzte Werkzeug und die damit verbundenen Werke zu Spekulationsobjekten derer, gegen die sich die ursprüngliche Kritik der Künstler gerichtet hat.
Von: Sebastian Pohl