Verfasst für das Feuilleton der TAZ Print-Ausgabe
Eigentlich wollte der noch junge Grafikdesign Student der Rhode Island School of Design, Frank Shepard Fairey, seinem Kumpel lediglich demonstrieren, wie einfach es doch ist seine eigene Sprüh-Schablone zu realisieren. Unwissentlich legte er mit diesem Schritt den Grundstein für seine Laufbahn als einer der heute bekanntesten Künstler der Gegenwart.
Was ursprünglich mit einem Inside Joke begann, wurde innerhalb kürzester Zeit zu seinem Markenzeichen.
Shepard Fairey, der in Charleston South Carolina aufwuchs, interessierte sich bereits früh für Subkulturen wie Punk Rock oder das Skateboarden, beides Szenen und Bewegungen, die sich zu dieser Zeit nicht nur vom Mainstream abgehoben, sondern vor allem eines suggeriert haben: Don’t tell me how to live – do it yourself! Und das in einer Generation, in der es das Meiste nicht On Demand, an jeder Ecke gab.
So gestaltete Fairey im Siebdruckverfahren unter anderem Shirts seiner Lieblingsbands einfach selbst und lernte dabei ein Medium kennen, das seine Arbeit und Arbeitsweise fortan maßgeblich geprägt hat.
Das grafisch abstrahierte Porträt des französischen Wrestlers Andre the Giant wurde Anfang der 1990er Jahre zu seinem Markenzeichen, mit welchem der junge Aktivist in Form von zehntausenden selbstgefertigten Plakaten und Stickern – als Gegenpol zur zunehmenden Kommerzialisierung der Städte durch Werbung – die Straßen der US-amerikanischen Metropolen zurückeroberte.
Seine Motivation – Self Empowerment – und die damit durch einfachste Mittel ermöglichte Rückeroberung urbaner Lebensräume einer Gesellschaft, in der viele Menschen sich zunehmend machtlos fühlten. „Ich möchte mit meinen Interventionen den Menschen zeigen, dass sie nicht machtlos sind!“
John Carpenter‘s Science-Fiction Klassiker „They Live!“ eröffnete Shepard Fairey eine weitere Perspektive auf die zentralen Ursachen des eigentlichen Problems, das die westliche Welt dominiert. Es entstand die „Obey Giant“ Kampagne. „Der Film vertritt eine klare Botschaft im Hinblick auf die Macht der Konzerne, des von ihnen kommunizierten Kommerz und der damit verbundenen Art und Weise, wie die Menschheit tagtäglich durch Werbung manipuliert wird. Der Gehorsam (OBEDIENCE) ist dabei der wohl wertvollste Ertrag.“
Inspiriert von der Bildsprache der US-amerikanischen Künstlerin Barbara Kruger und der Schriftart Futura wurde damit der Slogan „OBEY“ zu einem zusätzlichen Synonym und Charakteristikum des Künstlers, welches nunmehr vor allem eine Frage in den Raum werfen sollte: Gehorchen? Aber wem? Warum und vor allem, wofür?
In seinem Schaffen ging es Shepard Fairey – wie er selbst sagt – nie darum, große Kunst zu machen oder gar ein weltbekannter Künstler zu werden, weshalb ihn auch nicht die konventionelle Kunstwelt und deren Mechanismen angetrieben haben, künstlerisch zu arbeiten. Vielmehr war das Gegenteil der Fall, denn nach Shepard Faireys Philosophie, sollte Kunst für jeder man öffentlich zugänglich sein. So waren und sind es seit jeher Bands wie „The Clash“, „Dead Kennedys“ oder die „Sex Pistols“, sowie Aktivisten der Black Panthers Bewegung oder der Street Art Pionier Ron English und die bereits seit Ende der 1970er Jahre umtriebige Aktivisten Gruppe der sogenannten „Billboard Liberation Front“, Front“, die ihm verdeutlich haben, wofür es sich in der ohnehin viel zu kurzen Lebenszeit, die uns auf diesem Planeten geschenkt wurde, zu kämpfen lohnt.
Ein zentraler Anlass, der ihn auf seine persönliche Verantwortung und Streben nach sozialer Gerechtigkeit zusätzlich bestärkt hat, war unter anderem der von der Bush-Administration als Reaktion auf die Anschläge vom 11. September 2001 verabschiedete „Patriot Act“, sowie die auf Basis falscher Tatsachen völkerrechtswidrig durchgeführte Invasion des Iraks und die in diesem Zusammenhang gerechtfertigten Gräueltaten. Slogans wie „Whats the Cost of Oil – Freedom isn‘t Free“, „Big Brother is watching you!“ oder „Make Art not War“ unterstrichen seither die Aussagen seiner Motive, welche Fairey weltweit großformatig im öffentlichen Raum, unter anderem auch 2003 erstmalig in Deutschland (Berlin), plakatiert hat.
Das Jahr 2008 stellte einen unerwarteten Wendepunkt im Leben des damals 38-jährigen, mittlerweile in Los Angeles lebenden, verheiraten Familienvaters dar. Ein bis dahin unbekannter Senator mit kenianischen Wurzeln aus dem Bundesstaat Illinois, der für die Demokratischen Partei als Präsidentschaftsanwärter kandidiert hat, versprühte nach acht Jahren „Schreckensherrschaft“ durch Georg W. Bush unter der eigentlichen Federführung von Dick Cheney eine regelrechte Euphorie der Hoffnung auf Veränderung.
Von dieser Hoffnung inspiriert und getrieben, gestaltete Fairey ganz im Stil der ihm seit jeher vertrauten „Graswurzelbewegung“ ein Poster mit dem Porträt des späteren US-Präsidenten Barack Obama und dem plakativen Slogan „HOPE“. Auf der Basis von Crowdfunding und Spenden hunderttausendfach gedruckt und in Eigenregie vertrieben, mit Hilfe dutzender Ehrenamtlichen über den gesamten Kontinent verteilt.
Das innoffizielle „Wahlplakat“ wurde zu einer international bekannten Ikone für Hoffnung und machte den bis dahin primär aus seiner Garage heraus operierenden Aktivisten über Nacht zu einem der bekanntesten und zugleich wichtigsten Künstler der Gegenwart. Dabei reichte die Kraft der sowohl medial, als auch millionenfach auf den Straßen propagierten Hoffnung weit über die politische Intention eines Wahlkampfs hinaus. Das „HOPE“ Plakat entwickelte sich zu einem Symbol für gesellschaftliche Solidarität und fortschrittliche Veränderung.
Fortan nutzte der einstige Underground-Aktivist den ihm nun zu Teil gewordenen Ruhm sowie die damit verbundene Reichweite seiner Kunst ganz im Sinne vergangener Kunst-Aktivisten wie Keith Haring, um noch vehementer für globale Gerechtigkeit einzutreten und somit auch offensiv Themen, wie die Auswirkungen politischer Einflussnahme wirtschaftlicher Interessensgruppen, der Rüstungs- oder der Öl- und Gas-Industrie, auf die globale Politik, anzuprangern.
In diesem Kontext hat Fairey im Jahr 2015 eines seiner bislang radikalsten Werke im öffentlichen Raum in Form eines großflächiges Murals unter dem Titel „Paint it Black“ in München realisiert, um kurz darauf anlässlich der UN-Klimakonferenz in Paris die einzigartige Installation „Earth Crisis“ am Pariser Eiffelturm umzusetzen. Inspiriert vom reflektierten Einsatz für einen ambitionierten Umweltschutz, ziert seit dem Antritt des französischen Präsidenten Emmanuel Macron nun auch ein großformatiges Gemälde Faireys das Büro im Élysée-Palast.
Seit Ende Juni dieses Jahres ist Shepard Fairey anlässlich seines 30. Jubiläums zurück in Europa, um – als Auftakt seiner „Facing the Giant: Three Decades of Dissent“- Welttournee im Historischen Gemäldemuseum in Grenoble – wie Fairey selbst sagt, „keine Retrospektive, sondern viel mehr eine Reflexion der vergangenen 30 Jahre zu präsentieren“, zumal der mittlerweile 49 jährige Künstler, Designer und Aktivist so aktiv wie selten zuvor ist.
Weitere Ziele der Tour, auf welcher sich der Künstler selbstverständlich auch dem öffentlichen Raum annimmt, sind New York und Vancouver, sowie London, Miami und natürlich Los Angeles.
Die in Europa bislang größte Ausstellung an Werken des US-amerikanischen Künstlers mit über 500 Exponaten im Ancien Musée de Peinture in Grenoble sind bis Ende Oktober 2019 bei kostenfreien Eintritt geöffnet.
Im Herbst 2020 arbeitet Shepard Fairey unter dessen bereits in Kooperation mit dem Münchener Kunstverein „Positive-Propaganda“ an seiner ersten Einzelausstellung in Deutschland.
Von: Sebastian Pohl
Bildmaterial: Jonathan Furlong, Obeygiant.com & Sebastian Pohl